Von Dr. Christian Krausch
Wolfgang Speen liebt das Abenteuer – zumindest in seiner Malerei. Die Bilder berichten von dem wechselvollen Zusammenspiel unterschiedlicher Materialien in ihrer Mischung aus Acrylfarbe und Harzen, aus Tempera, Sand und Asche, aus Kaffeepulver, aus Aufbaustoffen, Ochsengalle und Aquarellfarben – vieles davon in altmeisterlicher Manier selbst angemischt und geklebt in Form der Collage, Decollage und Frottage, gespachtelt, gerakelt, geschüttelt teilweise mit Händen gefurcht, be- und überarbeitet.

Es gibt viel zu entdecken auf und auch unter ihren Oberflächen. Wer genau hinsieht, erkennt die Vielschichtigkeit des Aufbaus, erkennt tieferliegende Unfarben wie Schwarz und Weiß, die verhalten zwischen einem Rot, Blau oder Gelb an manchen Stellen durchschimmern. Da macht sich der Abenteurer Speen wieder bemerkbar, der Wege sucht und findet, in einem pastosen Bild mit haptischen Füllstoffen zugleich Aquarellfarben mit Ölfarben zu vermischen.
Folge davon sind krustige Oberflächen neben lasierenden Farbschlieren. Gelegentlich finden sich Farbverläufe am Rand des Keilrahmens. Farben, die an keiner Stelle sonst mehr sichtbar im Bild anzutreffen sind und lediglich auf ihre untergründige Existenz hinweisen. Denn Merkmal seiner Arbeitsweise ist die mehrfache Überarbeitung eines Gemäldes im Laufe der Zeit.
Das „Herausschälen“ des eigentlichen Bildes, wie er es nennt. „Herausschälen“ heißt für ihn aber auch, immer weiter zu forschen, bis er das eigentliche Bild, das „Bild hinter dem Bild“ für sich gefunden hat.
Und dann sind da noch diese seltsamen Titel, abermals sinnentleerte Fantasiegebilde, die stutzen lassen. „Sumu“ heißt es da, „Silak“, „Sander“, „Lisi“ oder eben auch „Balser“. Silben, die in den Titeln zusammengefunden haben. Von Wolfgang Speen komponierte Klanglaute mit Bezug zum Farbklang über die wir nachsinnen. Anstöße für die eigene Fantasie, an unser Meer aus inneren Bildern.
Und so wandelt sich unser Denken über die Bilder zum Denken in Bildern. Bilder, die vielleicht schon in uns schlummerten und wieder aufgeweckt werden. Fenster, die sich öffnen und Einblicke- wie Ausblicke gewähren. Vielleicht aber auch Bilder, die ganz neu entstehen, neue innere Bilder, die erst im Anblick der Arbeiten von Wolfgang Speen einfach „passieren“. Genauso, wie sich seine Gemälde im Laufe der Zeit entwickeln und aus einer Addition von Farben zu farbintensiven Geschichten werden.
So ist Wolfgang Speen ein Mann der Farbe. Und darüber hinaus ist er ein Mann der Sprache. „Wie entsteht Sprache durch das Sehen? Und wie schult sich das Sehen über die Sprache?“ sind Fragen, die Wolfgang Speen immer schon beschäftigt haben. Seine Arbeiten geben Antworten auf diese Fragen, indem sie klarmachen, dass Sprache „Denken in Bildern“ ist.
Malerei als Abenteuer
Die Bildmaterie selbst hat ihre Geschichte. Diese Geschichte aufzugreifen und der Materie zum Ausdruck zu verhelfen, ist das Grundthema meiner Arbeiten. Farbe, aber auch bildfremde Materialien wie Asphaltlack, Stein- und Marmormehl, Harze, Kreide, Asche oder Sand, Karton oder Japanpapier, neuerdings auch Rost und Wachs treten auf dem Bildträger in einen Dialog.
Auch Sande und Erden aus anderen Ländern und Erdteilen wie Südafrika, den Malediven, La Gomera, den Azoren, Griechenland, Istrien oder auch aus der Wüste Kalahari/ Namibia werden zum Malmaterial. Aus der Ästhetik der jeweiligen Materialien und deren spezifischen Eigenschaften resultiert die Malweise und damit auch der Aufbau eines Bildes.
Pastose Farbspuren, mitunter durchpflügt und furchenreich, stehen mehrfach geschichteten transparenten Öl-Harz-Pigmentschichten in Lasurtechnik gegenüber. Den farbintensiven Bildern in Blau, Rot, Gelb oder Grün stehen seit einiger Zeit erdfarbene Werke und neuerdings auch Arbeiten in Schwarz-Weiß als Kontrapunkte gegenüber.